Vorsicht vor Staatsanleihen mit 100-jähriger Laufzeit!

Vorsicht Staatsanleihen

Staatsanleihen gelten unter Österreichs Sparern als sicherer Hafen. Sie werfen mehr Zinsen als das Sparbuch ab, die Rückzahlung erscheint gesichert und die Kreditwürdigkeit eines Staates gilt als hoch. Somit erscheint das Risiko gering und die Ersparnisse liefern attraktive Zinsen. Ist diese Sichtweise richtig oder sollte doch ein wenig hinter die Kulissen geschaut werden, um unbedachte Gefahren zu erkennen?

Wir wollen in diesem Artikel ein wenig Licht in die „heile Welt“ der Anleihen bringen.

Das Inflationsrisiko

Womit können Anleihezeichner aktuell rechnen? Zwei aktuelle Beispiele:

Im September 2017 sorgte Österreich für Schlagzeilen. Als erstes Land in der Eurozone legte Österreich eine 100-jährige Anleihe auf – Rückzahlungsdatum: 20.9.2117. Der Zinskupon lag bei 2,1 Prozent jährlich. Aktuell hat die Österreichische Bundesfinanzierungsagentur eine weitere 100-jährige Anleihe aufgelegt, mit einem Zinskupon von 0,85 Prozent jährlich, rückzahlbar bis 30.6.2120. Und diese Anleihen gingen sprichwörtlich wie die warmen Semmeln weg.

Rechnen wir zunächst ein wenig und ein Sprichwort besagt ja, dass derjenige, der rechnen kann, klar im Vorteil ist. Was kauft sich jemand ein, der solche 100-jährigen Anleihen erwirbt? Der Käufer solcher Anleihen erhält jährlich seine Zinszahlungen in der Größenordnung von 2,1 Prozent bzw. 0,85 Prozent. Was bedeuten diese Konditionen hinsichtlich Inflationsabgeltung? Wenn man den offiziellen Zahlen der Statistik Austria Glauben schenkt, dann hätte jemand mit den 2,1 Prozent in etwa für einen Kaufkrafterhalt seiner Investition gesorgt, aber nur, wenn er den Zinskupon auch wieder zu den selben Konditionen Jahr für Jahr anlegen könnte und die Inflation die nächsten 100 Jahre nicht ansteigt. Derjenige mit den 0,85 Prozent Zinszahlung würde hingegen von Beginn an jährlich weniger erhalten, als die Inflation beträgt. Und dies auf die nächsten 100 Jahre!

Die erste Frage, die sich bei einer Anleihe mit 100-jähriger Laufzeit stellt, lautet: wie wahrscheinlich ist es, dass unser Währungssystem die nächsten 100 Jahre unbeschadet übersteht? Unter vielen Professoren und Experten mehren sich die Stimmen, dass mit der unglaublichen Geldflut, die die Zentralbanken produzieren, das Finanzsystem an die Grenzen gestoßen ist und ein größerer Einschnitt bevorsteht. Niemand besitzt allerdings die Glaskugel, mit der die Zukunft prognostiziert werden kann. Doch die Wahrscheinlichkeit des Eintretens einer solchen Annahme steigt von Tag zu Tag.

Widmen wir uns nun aber nochmals dem Kaufkraftverlust solcher Anleihen und rechnen wir. Jemand veranlagte im Jahr 2017 10.000 € in eine 100-jährige Staatsanleihe. Wenn wir unterstellen, dass die Inflation die nächsten 100 Jahre konstant 2 Prozent pro Jahr betragen wird, dann erhalten die Erben – denn der Zeichner der Anleihe wird nicht mehr am Leben sein – im Jahr 2117 10.000 € retour. Wie viel sind diese 10.000 € kaufkraftmäßig im Jahr 2117 wert, d.h., wieviel kann sich der Zeichner der Anleihe im Jahr 2117 um 10.000 €, verglichen mit dem heutigen Gegenwert, leisten? Stolze 1.326 €, der Kaufkraftverlust beträgt also mehr als 86 Prozent!

Und in diesen und nachfolgenden Berechnungen ist nicht berücksichtigt, dass der Sparer für die Zinsen Steuer zahlen muss! Also würde das Ergebnis der Berechnungen noch deutlich schlechter ausfallen.

Die jährlichen Zinszahlungen der Anleihe in der Höhe von 2,1 Prozent sind beim aktuellen Zinsniveau nicht zu den selben Konditionen zu veranlagen. Wie man aus dem Beispiel der Anleihe aus dem Jahr 2020 sieht, zahlt Österreich nur mehr 0,85 Prozent an Zinsen. Also kann mit den Zinsen auch keine Anleihe mehr gekauft werden, die die ursprünglichen 2,1 Prozent an Zinsen zahlt. Es entsteht somit auch für die Zinszahlungen ein laufender Kaufkraftverlust.

Wenn wir die Inflation in unserem Beispiel nur auf 2,5 % erhöhen, dann bekommt man kaufkraftmäßig nach 100 Jahren gerade noch 795 €, das entspricht einem Wertverlust von 92 Prozent!

Dieses Beispiel zeigt auch genau auf, wie sich Staaten entschulden und erklärt auch, warum Staaten ihre Schulden nicht begleichen, sondern am Ende der Laufzeit von Staatsanleihen einfach neue Anleihen begeben und damit die alten Schulden tilgen – ein immer wiederkehrendes Muster. Und der Sparer zahlt die Zeche!

Nicht unerwähnt bleiben soll, dass der Staat Deutschland für 10-jährige Staatsanleihen negative Zinsen in der Höhe von -0,495 Prozent zahlt. Das heißt, der Käufer einer solchen Anleihe erhält am Ende garantiert weniger, als er eingezahlt hat. Im gegenständlich Fall wäre das um 4,84 Prozent weniger nach 10 Jahren. Und bei der Berechnung ist die Inflation nicht einmal berücksichtigt! Denn dann erhielte man nach 10 Jahren bei einer jährlichen Inflationsrate von 2 Prozent kaufkraftmäßig um 22,5 Prozent weniger.

Wen wundert es da, wenn einige von aktiver Geldvernichtung sprechen…

Betrachten wir nun aber einige Aspekte, die zum Verständnis von Anleihen notwendig sind. Welche Risiken hat ein Anleihezeichner neben dem Inflationsrisiko noch?

Das Ausfallsrisiko

Da wäre zunächst das Ausfallsrisiko, d.h., dass derjenige, der die Anleihe begibt, seinen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen kann. Im Falle von österreichischen Staatsanleihen scheint dieses Risiko auf den ersten Blick gering, doch angesichts der aktuell weltweit ausufernden Staatsschulden kann für nichts mehr garantiert werden.

Erwähnt werden soll an dieser Stelle, dass natürlich auch andere Emittenten als der österreichische Staat Anleihen begeben. Neben ausländischen Staaten kann dies der Bankensektor sein oder können es Unternehmen sein. Demnach ist auch das Ausfallsrisiko unterschiedlich hoch. Und das Ausfallsrisiko drückt sich in einem höheren Zinssatz aus, der von den Emittenten bezahlt werden muss.

Das Zinsänderungsrisiko

Des Weiteren besteht ein Zinsänderungsrisiko. An unserem zuvor gezeigten Beispiel kann dies gut veranschaulicht werden. Die Anleihe aus dem Jahr 2017, die mit 2,1 % verzinst war, notiert aktuell bei einem Kurs von rund 216 Prozent. Das bedeutet, dass derjenige, der diese Anleihe hält und sie heute verkaufen möchte, statt seinen 10.000 € dafür 21.600 € erhalten würde. Ein exzellentes Geschäft mit rund 29 Prozent Verzinsung pro Jahr!

Warum ist das so? Ein Anleger, der heute 10.000 € veranlagen möchte, kann nur mehr die Anleihe aus dem Jahr 2020 erwerben und diese ist leider nur mehr mit 0,85 Prozent verzinst. Die Anleihe aus dem Jahr 2017 wirft aber auf die restlichen 97 Jahre um 1,25 Prozent mehr an Zinsen ab und ist dementsprechend wertvoller. Dies drückt sich im Kurs von 216 Prozent aus.

Wenn hingegen das aktuelle Zinsniveau auf 3 Prozent gestiegen wäre, dann würde der Verkauf der Anleihe keine 10.000 € einbringen, weil die Anleihe um 0,9 Prozent Zinsen weniger für die restlichen 97 Jahre liefern würde und dies drückt sich in einem niedrigeren Kurs aus.

Steigt das aktuelle Markt-Zinsniveau, sinkt der Kurs der Anleihe und umgekehrt, fällt das aktuelle Markt-Zinsniveau, steigt der Kurs der Anleihe. Generell kann festgehalten werden, dass die Kursschwankungen bei Staatsanleihen wesentlich geringer ausfallen als bei Aktien.

Die institutionellen Anleger

Wer sind denn nun diejenigen, die in großem Stil Staatsanleihen kaufen? Vielen Menschen ist gar nicht bewusst, dass sie in Staatsanleihen investiert sind. Menschen, die in Lebensversicherungen sparen, kaufen, ohne dass sie es wissen, ständig Staatsanleihen. Denn die Lebensversicherungen sind per Gesetz verpflichtet, einen Großteil ihrer Veranlagungen in sichere Papiere zu investieren. Und Staatsanleihen gelten als sichere Papiere.

Versicherungen gelten als institutionelle Anleger.

Die Verflechtung von Staat und Versicherungswirtschaft wird damit offenkundig – die Versicherungsbranche stützt den Staat. Wen wundert es da, dass den Versicherungsunternehmen von der Politik eine begünstigte Stellung eingeräumt wird – eine Hand wäscht die andere!

Die Tragik entsteht aber für den Sparer, der mit Lebensversicherungen Vorsorge betreibt. Denn die Veranlagung über Lebensversicherungen ist nicht kostenfrei. Wenn Staatspapiere in der heutigen Zeit kaum Zinsen abwerfen und somit von vorneherein kein Kaufkrafterhalt sichergestellt ist (siehe obige Berechnungen), wie sieht die Rechnung für den Sparer unter Berücksichtigung von Kosten durch die Lebensversicherung aus? Im Großen und Ganzen kann davon ausgegangen werden, dass von der Sparprämie einer Lebensversicherung nur zwischen 80 – 85 Prozent veranlagt werden. Wie kann damit jemals ein positiver Ertrag entstehen?

Erinnern Sie sich an den Ausspruch von aktiver Geldvernichtung?

Aus diesem Grund ist in der heutigen Zinslandschaft vom Sparen mittels einer klassischen Lebensversicherung tunlichst abzuraten. Nicht, weil die Versicherungsunternehmen schlecht wirtschaften oder schlecht veranlagen. Sondern, weil es mathematisch unter den gegebenen Voraussetzungen nahezu unmöglich ist, für den Sparer einen positiven Ertrag zu erwirtschaften. Zur langfristigen Vorsorge sind andere Veranlagungsinstrumente sinnvoller.

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